Nüchtern, oder sagen wir besser: rational betrachtet, lässt sich das erste Spiel unseres Herzensvereins zurück in der ersten Bundesliga ganz kurz zusammenfassen: Hertha siegt durch ein Tor von Ibisevic mit Einsnull. Der Club kehrt mit null Punkten aus der Hauptstadt nach Franken zurück.
Zwischen dieser sachlichen Feststellung und meinem persönlichen Empfinden liegen freilich Welten.
Schon vor Bekanntgabe des Spielplans war für uns festgestanden: Zum ersten Auswärtsspiel unseres Glorreichen fahren wir auf jeden Fall. Dass es Berlin traf – umso besser. An die Hauptstadt haben wir als Glubberer natürlich gute Erinnerungen. Und wie es der Zufall so will, flogen wir doch tatsächlich im gleichen Flieger wie die Mannschaft gen Berlin. Ich machte keine schlechten Augen, als da plötzlich Bauer, Behrens und Co. im Wartebereich saßen. Ganz normale junge Männer im Club-Dress, die in ihre Handys glotzten, Fußball-Videos guckten oder – man mag es kaum glauben – ein Buch lasen.
Aufgrund eines Missverständnisses verpassten wir den Check-in – und wurden gemeinsam mit Behrens, Leibold und Valentini (der gar nicht mitflog, was wir zu dem Zeitpunkt aber noch nicht wussten) per Lautsprecher als „last call“ ausgerufen. Wie peinlich! Ich konnte mir ein augenzwinkerndes „Morgen aber bitte pünktlich sein!“ in Richtung unseres Kapitäns nicht verkneifen. Und das hat ja dann auch geklappt. Sowohl Herr Behrens als auch ich waren pünktlich im Olympia-Stadion. Ob der Blondschopf auch so aufgeregt war wie ich, entzieht sich freilich meiner Kenntnis. Aber ich hatte schon Stunden vor der Partie kalte Hände, konnte nichts mehr essen und das Kribbeln im Bauch wurde gefühlt von Minute zu Minute stärker. Und die Freude. Endlich wieder erste Liga. Nicht mehr nach Sandhausen, Heidenheim oder andere Provinzen, sondern nach Berlin, Bremen und Dortmund.
Wir waren schon den ganzen Vormittag in unseren Trikots durch die Straßen Berlins marschiert – und hatten nur positive Rückmeldungen bekommen. Und auch die Fahrt zum Stadion war erfreulich entspannt, ein friedliches Nebeneinander von Hertha- und Clubfans. So wie es sein soll, finde ich.
Und dann war er endlich da, der Moment, auf den wir alle so sehr hingefiebert haben. Der Moment, wenn du die Treppen zum Block hochgehst und dann den ersten Blick in das Rund des Olympia-Stadions wirfst. Der Moment, wo du realisierst: Ja, wir sind tatsächlich wieder in der ersten Liga angekommen!
Rund 7000 Club-Anhänger haben diesen Moment gemeinsam erlebt und zelebriert. Die einen (wie ich) in stillschweigender Ehrfurcht, die anderen (rund 97 Prozent…) in bierseliger Trunkenheit.
Die ersten 45 Minuten habe ich ehrlich gesagt in völlig bewegungsloser Trance verbracht. Ich war so hibbelig und so nervös, dass mein Körper das mit einer totalen Starre kompensierte. Und der Kopf versuchte, das Spiel zu verfolgen und zu begreifen. Was die Augen sahen, gefiel. Ja, tatsächlich, realisierte ich nach ein paar Minuten: Die Club-Elf hält mit. Zeigt keinen ängstlichen Respekt vor der Hertha, sondern spielt mit. Dass hier ein alter Hase gegen eine Debütanten-Truppe antritt, ist nicht zu erkennen. Nun ja, zumindest bis zur 26. Minute. Berlins erster Schuss auf den Kasten von Fabian Bredlow saß. Das Einsnull war ernüchternd. Sogar für ein paar Alkoholleichen auf den Rängen.
In der zweiten Hälfte drehten die Herthaner kurz auf, aber insgesamt hatte der Club mehr von der Partie. Sehr gut hat mir im Übrigen unser Neuzugang Kubo gefallen. Noch nicht mal eine Woche in der Noris, scheint er sich trotzdem schon gut akklimatisiert zu haben und hat eindrucksvoll gezeigt, dass er tatsächlich mal einer von jenen ist, die man uns immer als „der kann sofort helfen“ anpreist. Leider half aber alles Schreien, Klatschen und Anfeuern (mein Körper war endlich aus der Starre erwacht) während der zweiten 45 Minuten nichts. Es war meinem Empfinden nach eine offene Bundesligapartie, bei der unsere Jungs am Ausgleich schnupperten – und ihn auch verdient gehabt hätten! Leider verpatzte Mikael Ishak die dickste Chance in Form eines Handelfmeters. Es sei kein Pech gewesen, er hätte einfach grottenschlecht geschossen, sagte der Unglückliche nach der Partie. Da hat er Recht. Ein zweites Mal wird ihm das mit Sicherheit nicht mehr passieren. Ob uns Edgar Salli kommenden Samstag im eigenen Stadion wieder „passiert“ dürfte hingegen fraglich sein. Ich mag den Kameruner wirklich gerne, ein freundlicher, junger Mann ist er. Aber an Köllners Stelle würde ihm die Pfiffe im Stadion ersparen.
Die wichtigste und hoffnungsvolle Erkenntnis dieses ersten Spieltags in der Bundesliga muss für den Club lauten: Wir können mithalten! Das macht Mut und die Mannschaft hat es mehr als verdient, dass sie unsere vollste Unterstützung bekommt. Am kommenden Samstag, wenn nach vier Jahren Bundesliga-Abstinenz endlich wieder eine Erstliga-Partie in unserem Achteck steigt, dann muss die Hütte aus allen Nähten platzen! Zum ersten Mal wird dann auch der Name unseres Stadions in Fußballdeutschlands Munde sein und darauf können wir wahrlich stolz sein. Und Max Morlock hätte es verdient.