Der 28. Spieltag in einem Satz: Der 1. FC Nürnberg (Tabellenvorletzter) und der VfB Stuttgart (Drittletzter) trennen sich unentschieden 1:1. Ein Sieg für unsern Glubb wäre drin gewesen – er war zum Greifen nahe. Die Schwaben dürften über den einen Punkt mehr enttäuscht sein als wir, denn der Club verkürzt zwar nicht den Abstand zum Relegationsplatz, aber Stuttgart spürt unseren Atem!
Und immer noch gilt: Es ist nicht vorbei!
Natürlich war vor dem Match klar, dass es schwer werden würde. Dass es nahezu unaushaltbar aufregend werden würde. Dass es Nerven kosten würde. Mit war schon seit Montag mulmig zumute gewesen, meine Nerven fingen zu flattern an, sobald ich nur an die anstehende Partie dachte. Überall war ja auch zu hören und zu lesen: Es wird das entscheidende Spiel sein. Hopp oder Flopp. Die letzte Chance, dass der Klassenverbleib oder zumindest die Relegation noch in Greifweite, im Bereich des Möglichen bleibt.
Und freilich wurde es schwer. Freilich war es nicht zum Aushalten aufregend. Und freilich hat es Nerven gekostet. Und trotzdem kann ich nicht auch nur annähernd in Worte fassen, wie es mir tatsächlich ging am Samstag.
Ich habe mich nämlich selbst nicht wiedererkannt. Ich war einfach nur – still. Ernst. In mich gekehrt. Wollte und konnte nicht reden. Ich setzte mich hinten in Stefans Auto, ließ die beiden Jungs vorne reden, hörte Musik und ließ die Landschaft an mir vorbei ziehen. Hätte mich jemand beobachtet, hätte er meinen können, ich sei das sprichwörtliche Lämmchen, das zur Schlachtbank geführt wird. Genau so habe ich mich gefühlt.
Im Gästeblock suchten wir uns ein Plätzchen am Rand. Auch bei allen anderen war die Anspannung förmlich zu greifen. Mir war mittlerweile schlecht. Meine Kehle war zugeschnürt. Ich bekam schlecht Luft. Am Liebsten wäre ich ehrlich gesagt wieder gegangen. Einfach raus. Weg. Flüchten. Warum tue ich mir das an? Warum liege ich nicht rgendwo entspannt im Liegestuhl, pflanze Blumen, gehe shoppen oder meditiere? Nun ja, ich hasse einkaufen, habe keinen grünen Daumen und meine Füße kann ich ohnehin nicht still halten. Und weil der Glubb halt nun mal mein Herzensverein ist, den ich niemals im Stich lassen würde.
Deshalb blieb ich natürlich. Aber ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal dermaßen angespannt und aufgeregt vor einem Spiel war. Vielleicht 2007 in Berlin beim Pokalfinale.
Unsere Jungs auf dem Platz gaben vom Anpfiff weg – genau wie wir Fans auf den Rängen – alles. Hinten standen sie sicher. Und sie suchten den Weg nach vorne. Es fehlte halt, wie so oft, die letzte Konsequenz im Abschluss. Aber Pereira hat mir ausnehmend gut gefallen, er hat sich mächtig ins Zeug gelegt, viel Betrieb gemacht. Die Stuttgarter fielen zunächst durch gefühlte Planlosigkeit und höchstens mal Einzelaktionen auf. Ob ihre Anhänger ihnen unbedingt einen Motivationsschub gaben mit ihrem Riesenplakat, auf dem stand: „Egal welche Spieler, egal welcher Präsident, die einzige Konstante sind wir Fans“?
Ich bin froh, dass ich (aus gutem Grund!) keine Zigaretten dabei hatte und dass ich mir das Fingernägel kauen vor vielen Jahrzehnten abgewöhnt habe. Mein Nachbar hat sich zum Glück bis jetzt auch nicht beschwert, dass sein Arm blau wäre vom vielen Drücken meinerseit. Als das Tor für uns schließlich fiel, war ich nicht in der Lage, mich zu bewegen oder gar zu jubeln. Auch wenn um mich herum alle explodierten. Ich habe nur auf den Schiri gestarrt und meinen Nachbarn immer und immer wieder gefragt: „Ist es wirklich ein Tor?“ (An dieser Stelle sein nochmal ein herzliches „Fußballmafia DFB“ in die Runde gerufen…). Als es mir dann klar wurde, hätte ich heulen können. Ja, ich weiß. Ich scheine eine totale Heulsuse geworden zu sein. Die letzten Wochen gab es ja genug Anlässe, warum mir immer wieder das Wasser in den Auge stand: aus Trauer, aus Mitleid, aus Wut, aus Freude. Diesmal vor Anspannung. Stefan meinte ganz fürsorglich, ich solle es ruhig rauslassen, Klaus hatte selbst ganz nasse Augen.
Wie sollte ich nur diese zweite Halbzeit noch überstehen? Ich flüchtete in die letzte Reihe hoch, drehte wie verrückt an meinen Ringen, die Eheringe meiner Großeltern. Meine Oma war selbst ein großer Clubfan, sie musste doch helfen vom Himmel aus!
Und wir hätten diesen Sieg so verdient gehabt! Die Chancen waren da. Pereira, Ewerton und Mathenia waren grandios in meinen Augen. Wir wir waren die bessere Mannschaft, auch wenn Kubos „Leistung“ indiskutabel, Misidjan zu egoistisch und Ishak ohne Fortün war. Als der Ausgleich fiel, war die Enttäuschung grenzenlos. Die Jungs taten mir so leid. Sie haben gekämpft und gebissen. Aber schnell regte sich auch mein Kampfgeist wieder. Für die Schwaben war dieses Unentschieden deutlich schlechter. Die Fans pfiffen ihre Spieler nach dem Match gnadenlos aus.
Wir hingegen feierten unser Team. Und ich hatte schon wieder Pippi in den Augen.
Auf dem Heimweg – ich war wieder gesprächiger – erreichte uns dann die Meldung, dass ein neuer Sportvorstand gefunden ist. Robert – wer? Das war auch unsere erste Reaktion. Als wir Palikucas Werdegang nachlasen, kontaktierten wir natürlich sofort unsere Düsseldorfer Freunde. Allen Voreingenommenen, Nörglern und Pessimisten sei Claus‘ Antwort ans Herz gelegt: „Sehr guter Mann für euch. Er hat seit einigen Jahren maßgeblich bei unseren Transfers mitgewirkt. Dazu ist er ein richtig super Kerl. Total sympathisch. Ich gönne es ihm sehr, dass er nun in verantwortlicher Position sein Können zeigen kann und wünsche ihm und natürlich auch euch gutes Gelingen. Ehrlich gesagt, stimmt es mich traurig, dass er uns verlässt. Freut euch auf ihn und heißt ihn willkommen.“
Herzlich willkommen also, Robert Palikuca, beim tollsten Club der Welt. 🙂