Ein Klassenunterschied
Die Spieltage sieben und acht in einem Satz: Der 1. FC Nürnberg verliert sowohl sein Auswärtsspiel beim Plastikverein in Leipzig als auch sein Match zuhause gegen die TSG Hoffenheim. Beide verdient.
Schlimmer, als bei einer Niederlage live dabei zu sein, finde ich immer, es am Bildschirm verfolgen zu müssen. Eigentlich hatten wir aber nach dem Sieg gegen Hannover durchaus die Hoffnung, dass unser Glubb in Leipzig zumindest über weite Strecken mithalten könnte oder gar – gaaaaanz vorsichtig in lichten größenwahnsinnigen Momenten – einen Überraschungs-Coup landen könnte. Dann sitzt du im Wanner und nach 21 Minuten steht es 3:0 für den Plastikverein. In der Halbzeit habe ich mir den ersten Schnaps bestellt, während die anderen Schnitzel und Kohlrouladen aßen. Mir war der Appetit gründlich vergangen. Nach 90 Minuten und drei Schnäpsen sah die Welt nicht besser aus. Aber gut, man konnte noch argumentieren: immerhin ist es Leipzig, immerhin ein mit Geld gepuderter Retortenklub ohne Tradition, immerhin mit millionenschweren Spielern in den Reihen, immerhin Tabellenfünfter… Sechs Buden hätte es trotzdem nicht gebraucht. Zum Glück waren meine Fürther Kollegen im Büro so freundlich, zu schweigen.
Wie gehst du nach so einer desolaten Niederlage ans nächste Match ran?
Dazwischen kam erstmal die Mitgliederversammlung. Mit einem interessanten Bericht von Andreas Bornemann, mit guten Zahlen und dem Abschied von Michael Meeske, einer marketingtechnisch exzellenten (leicht an Größenwahn grenzenden) Antrittsrede des „Neuen“ Niels Rossow, Kindergarten im Aufsichtsrat, der Abwahl von Meerrettich-König Schamel und heiteren Beiträge von einigen Mitgliedern.
Aber auch die Versammlung brachte natürlich keine Erkenntnisse zur Frage, wie Mannschaft und Fans das Spiel gegen Hoffenheim angehen sollten. Gut, für die Mannschaft ist der Trainer verantwortlich. Und als treuer Anhänger für sich selbst. Jetzt ist das mit dem Gefühl vor dem Spiel ja immer so eine Sache – weil schon alle erdenklichen Varianten da waren: gutes Gefühl – gewonnen; schlechtes Gefühl – verloren; gutes Gefühl – verloren; schlechtes Gefühl – gewonnen; gutes Gefühl – unentschieden; schlechtes Gefühl – unentschieden.
Und dann gibt es ja noch so Tage, an denen man gar kein Gefühl hat. Am Samstag war das bei mir so. Ich war wie üblich sehr aufgeregt, aber ich konnte nicht sagen, ob ich ein gutes oder schlechtes Gefühl habe. Als Fußball-Fan – und als Glubberer insbesondere – wirst du ja auch mal vorsichtig und versuchst, deine Emotionswelt nicht allzu sehr zu strapazieren, wenn ohnehin schon genug um dich herum passiert. Im Notfall wählt der Franke wohl immer die Sicherheitsvariante: Lieber vom Schlechten ausgehen, und sich positiv überraschen lassen.
Und zunächst klappte diese Taktik recht gut. Denn in den ersten 20 bis 30 Minuten sah das ja recht gut aus, was unsere Jungs da unten auf dem Platz zeigten. Als der Schiri dann tatsächlich auch noch auf den Punkt zeigte (und als auch die typische viereckige Bewegung für die Anzeige des Videobeweises ausblieb), schoss der Adrenalin-Pegel nur so in die Höhe. Ich halte solche Situationen immer ganz schlecht aus. Wenn ich mir vorstellen, ich müsste da antreten, wird mir schon schlecht und ich kriege wackelige Beine. Aber dafür gibt’s ja Profis wie Hanno Behrens. Er verwandelte sicher und die Freude war natürlich riesig, wir hüpften und sprangen und lagen uns in den Armen. Und wie im richtigen Leben ist es wichtig, solche Glücksmomente auch in dem Augenblick auszukosten und zu genießen.
Ohne Christian Mathenia hätte es schon zur Halbzeit 5:1 stehen können. Das war wirklich Weltklasse, was er für Dinger rausgeholt hat. Selbst 7 (SIEBEN!) Minuten Nachspielzeit in der ersten Halbzeit (ist doch eigentlich ein Bayern-Ding: es wird so lange nachgespielt, bis die noch ein Tor schießen…) brachten für die Kraichgauer nichts mehr Zählbares.
Dafür reichte ihnen die zweite Halbzeit. Die Hoffenheimer dachten sich wohl: Ihr hattet euren Spaß, jetzt machen wir mal ernst. Und dann sieht man eben mal, dass Geld Qualität bringt und Qualität Tore schießt. Drei Stück, um genau zu sein. Und es hätten auch mehr sein können. Schon nach dem Ausgleich sagte Norbert zu mir: „Jetzt kann’s noch böse werden.“ Und ja, mich beschlich auch ein mulmiges Gefühl. Ein richtig mieses mulmiges Gefühl. Leider war das einer jener Tage, wo schlechtes Gefühl und Niederlage dann einhergingen. Dass die Mannschaft nach dem Schlusspfiff trotzdem mit Beifall belohnt wurde, fand ich schön. Ich war auch traurig, natürlich enttäuscht, aber nicht gefrustet. Hoffenheim war einfach besser. Was willst du da machen?
Im Übrigen haben wir ja an diesem Wochenende gelernt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Auch die eines verurteilten Steuerbetrügers. Nur nicht die seines eigenen Spielers. Und die von Dietmar Hopp, wenn es nach gewissen Fangruppierungen geht. Da kann ich nur sagen: Die Würde JEDES Menschen ist unantastbar!