Erst mau, dann wow
Spieltag zwei in einem Satz: Der 1. FC Nürnberg und der SV Mainz 05 trennten sich Einszueins, die knapp 38.000 Zuschauer erlebten dabei zwei komplett unterschiedliche Halbzeiten.
Gewisse Leute (lieber Kollege Thomas D.!) haben im Vorfeld neun Punkte aus den ersten drei Spielen erwartet, andere (liebe fränkische Dauerpessimisten) natürlich null Punkte aus diesen Partien (das sind die, die auch vor Saisonbeginn schon wissen, dass der Glubb „eh absdeichd“). Schaut man sich das Programm unseres Glorreichen an, so muss man jedoch freilich zugeben: Mit Hertha, Mainz, Bremen und Hannover hat der Club zumindest auf dem Papier machbare Gegner erhalten. Denn beginnend mit dem Auswärtsspiel in Dortmund (26. September) geht es fast ausschließlich noch zu schweren Gegnern: Leipzig, Schalke, München und Gladbach. Da kann man auch mal schnell eine Null-Punkt-Serie hinlegen und es wäre durchaus beruhigend, vorher schon ein paar Pünktchen gesammelt zu haben.
Was war ich aufgeregt vor dem Spiel! Nach fast vier Monaten ging es endlich wieder ins heimische Achteck, das erste Bundesliga-Heimspiel nach vier Jahren Abstinenz stand an und gefühlt standen wir schon nach dem ersten Spiel und null Punkten Ertrag ein bisschen mit dem Rücken zur Wand.
Wir waren extra früh ins Stadion gegangen (zum Glück haben wir einen kurzen Weg – andere, die mit der Bahn anreisen mussten, haben eine wahre Odyssee erleben müssen mit Schienenersatzverkehr, Bus, Umstieg am Fürther (!) Rathaus in die U-Bahn usw….) und sind so schnell wie noch nie durch die Einlasskontrollen gekommen. Meine Tasche und ich wurden auch eingehend untersucht – die Jungs berichteten hingegen, sie hätten „alles“ mit reinnehmen können, wenn sie gewollt hätten. Zumindest war das Personal des neuen Sicherheitsdienstes freundlich und ich habe keine Reibereien mitbekommen. Die karnevalistische Anhängerschaft der Mainzer wurde jedoch anscheinend ähnlich lax wie unsere Jungs durchsucht in Anbetracht des bunten Feuerwerks, das sie vor Spielbeginn beisteuerten.
Mein persönliches Feuerwerk ist immer die „Legende“. Schal nach oben, singen aus tiefstem Herzen und die Dauergänsehaut genießen. Das können wahrscheinlich nur Gleichgesinnte nachvollziehen: Aber ich hätte heulen können.
Die ersten 45 Minuten waren zwar nicht zum Heulen, aber wirklich aufmunternd auch nicht. Heidernei! Meine ganze Hoffnung, der Mut, die Zuversicht, das Zutrauen schwanden von Minute zu Minute dahin. Mainz kontrollierte mir das Spiel zu sehr, auch wenn sie keine zwingenden Chancen hatten. Aber beim Gegentor traf der gegnerische Spieler den Ball nahezu perfekt – und wieder gingen wir daher mit einem Rückstand in die Halbzeit.
Während sich die Fans in den 15 Minuten die Zeit mit dem Gang zum Bierstand oder Fachsimpeleien vertreiben, ist unser Trainer Michael Köllner ganz offenbar schwer am Arbeiten. Gemeinsam mit seinem Trainerstab entschied er sich für ein paar taktische Änderungen – und hat damit genau ins Schwarze getroffen.
Denn was nun in Halbzeit zwei folgte, hätte ich nie zu träumen gewagt. Es war, als ob Köllner der Mannschaft eine komplette Gehirnwäsche unterzogen hätte. Aber das „simple“ wie wirkungsvolle Zauberwort heißt taktische Umstellung. Ich muss ja zugeben: Sehe ich mir im Sportstudio oder anderen Sendungen die wortreichen taktischen Erklärungen, Schemata, Zeichnungen, Kringel, Pfeile, usw. an – denke ich mir oft: Ob die Spieler selbst das auch so sehen würden, ob die das alles verstehen würden? Oder ist das wie bei einer Gedichtanalyse: Es wird manchmal so viel hineininterpretiert, dass nicht mal der Schriftsteller und Verfasser sein eigenes Werk noch erkennt?
Ist ja auch egal – ich bin einfach nur Fan und Laie. Und wenn sich eine tatktische Umstellung so auswirkt, wie am Samstag, dann bin ich einfach nur glücklich. Was unsere Mannschaft da für ein Feuerwerk abgeliefert hat – da können sich die Mainzer Fans echt verstecken. Gleich nach dem Wiederanpfiff das Tor und dann habe ich 45 Minuten lang nur noch geschrien, gesungen, geklatscht, gezittert, bin gesprungen und habe ungläubig geschaut. Was für ein Gefühls-Dauerhoch! Für das Tor von Mikael Ishak gab’s übrigens sogar Lob von meinen Fürther Kollegen: „Allmächd, des war ja ein Hammer!“ Ich hätte es aufnehmen sollen, denn zu solchen Kommentaren lassen sie sich nur gaaaanz selten hinreißen! Aber zurecht. Und für den Schweden hat es mich auch besonders gefreut nach dem verpatzten Elfer gegen die Hertha.
Nach dem Spiel war ich einfach nur – fertig. Und stolz auf die Mannschaft. Das Adrenalin schlug mir noch eine ganze Weile bis zum Hals. Das kann nur der Fußball, das kann nur der Glubb.
Nun, um wieder ein bisschen sachlicher zu werden, ist es nach dem 2. Spieltag aber trotzdem nur ein Punkt, der auf der Sollseite unserer Bilanz steht. Anstatt möglicher sechs. Panik ist freilich zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison nicht angebracht, aber mir ist auch so (noch?) nicht angst und bange. Gegen die Hertha hatte unsere junge unerfahrene, aber mutig auf- und mitspielende Truppe schon gut mithalten können und im Grunde wäre ein Unentschieden gerecht gewesen. Am Samstag gegen Mainz wäre ein Sieg mehr als verdient gewesen – zumindest, wenn man die 2. Halbzeit hernimmt.
Darauf lässt sich aufbauen.