Club – SV Sandhausen

Erstes Club-Heimspiel

Mehr als 29 Wochen. So lange war es her, dass ich das letzte Mal im Stadion war. Der Gegner hieß damals Hannover 96, Endstand: 0:3. Es wurde noch – der Verzweiflung und dem Galgenhumor geschuldet – ein feuchtfröhlicher Abend damals im Wanner. Und zum Glück ahnten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass es 205 lange Tage dauern würde, bis wir unseren Club wieder live im Achteck anfeuern dürfen.

Eine Corona-Pandemie, einen Fast-Absturz in Liga drei, einen Neuanfang auf den Positionen des Sportvorstands und Trainers später stand ich also tatsächlich am Sonntag wieder in meinem geliebten Max-Morlock-Stadion.

Wundertexte übern Glubb
Ausgedünnte Ränge – aber endlich wieder im Stadion!!

Corona hinterlässt Spuren

Die sechs Monate und 21 Tage sind nicht spurlos an mir vorübergegangen. Wie schnell kann es gehen, dass das Leben, wie wir es bisher gewohnt waren und geführt haben, auf den Kopf gestellt werden kann. Fußball, Konzerte, Festivals, Feiern mit Freunden… Was vor Corona eine Selbstverständlichkeit war, die ich niemals hinterfragt habe, ist nun etwas Besonderes geworden. Nicht, dass ich bis zum Zeitpunkt X nicht zu schätzen gewusst hätte, dass es mir sehr gut geht, dass ich gesund bin, machen kann, was ich will. Aber jetzt rücken diese Privilegien und Freiheiten noch mehr ins Bewusstsein, ich bin demütiger, dankbar.

Und es hat gezeigt, was eine solidarische Gesellschaft ist. Oder besser: Wie sie sein kann. Rücksicht aufeinander, friedliches Miteinander, Wertschätzung, Respekt – zumindest ein Großteil der Menschen hat begriffen, was das heißt.

Coronakonformer Stadionbesuch

Vor diesem Hintergrund war ich vor diesem ersten Heimspiel mit Zuschauern schon extrem gespannt. Wie wird es sich anfühlen, nach der langen Abstinenz im Stadion? Wie werden die Hygienevorschriften umgesetzt? Halten sich die Zuschauer daran? Wie ist die Stimmung mit nur einem Bruchteil an Anhängern und ohne Ultras?

Es hört sich vielleicht etwas seltsam und befremdlich an, aber es war mein bis dato entspanntester Stadionbesuch.   

Das fing schon auf dem Hinweg an. Wir waren von Zabo aus zu Fuß Richtung Stadion unterwegs – und wurden von einem aufmerksamen Linienbusfahrer angehupt und gefragt, ob wir nicht mitfahren wollten. Masken auf und rein in den Bus, in dem bereits eine Handvoll Cluberer saßen. Am Stadion selbst war man am Eingang gut vorbereitet und hatte Absperrgitter aufgestellt, um Anstehende zu leiten und die Abstände einzuhalten. Zumindest in der Südkurve war das nicht nötig: Wir spazierten eine halbe Stunde vor Spielbeginn mit Maske und Abstand ins Stadion, wurden von freundlichen Ordnern begrüßt und durchsucht. Ohne Stau und Massenandrang gelangten wir auf den Block, wo fleißige HelferInnen zuvor die vergebenen Sitze mit einem blauen Punkt markiert und auch nur genau jene Plätze geputzt hatten.

Wundertexte übern Glubb
Leere Sitzschalen und Aufkleber von ehemaligen Gegnern – der Anblick war gewöhnungsbedürftig…

Freilich war der Anblick der extrem ausgedünnten Ränge seltsam und befremdlich – aber ich hatte das Gefühl, dass es allen so ging wie mir: Es war einfach schön, endlich wieder im zweiten Wohnzimmer zu sein! Ich war ausgelassen, happy und – endlich! – auch mal wieder richtig aufgeregt. Als dann die Melodie von Enrico Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“ ertönte, da hatte ich Gänsehaut pur und musste in paar Mal kräftig schlucken.

Wie hatte ich den Club vermisst!

Einzig sehr gewöhnungsbedürftig für mich war das Sitzen. Der Ordner auf unserem Block wies mich aber (natürlich zurecht) hartnäckig zurecht. Als ich kaum zwei Minuten am Stück saß, ertönte lustigerweise „Steht auf, wenn ihr Clubfans seid“ und alle 6605 Zuschauer standen auf, ich natürlich auch. Aber die Ordner bewiesen Umsicht und danach setzten sich alle brav wieder auf ihren Hosenboden.

Auch in der Halbzeitpause ein entspanntes Bild: Schlange stehen an den Getränkeständen mit Maske und Abstand, Rauchen mit eineinhalb Meter Abstand zum nächsten, freie Toiletten, Desinfektionsmittel.

Und selbst beim Torjubel in der zweiten Hälfte habe ich nur disziplinierte Fans gesehen, die sich unbändig, aber coronakonform gefreut haben. Ich jedenfalls habe mich zu jeder Zeit Viren-sicher im und am Stadion gefühlt.

Die Belohnung: drei Punkte

Tja, und dann wird der Tag auch noch mit drei Punkten belohnt! Wie es der Zufall so will, gelang der letzte Heimsieg unseres Glorreichen mit Zuschauern vor 238 Tagen – gegen den SV Sandhausen!

Wie groß die Sehnsucht nach Live-Fußball, nach unserem Glubb war, wurde mir in der 86. Minute bewusst. Da rutschte mir der Satz raus, den ich sonst immer mindestens schon eine Stunde vor der Partie inbrünstig sage: „Wenn’s scho rum wär.“ Auch wenn der Club insbesondere in der zweiten Halbzeit überlegen war – diese Restangst vor einem späten Ausgleich beim Stande von 1:0 für die Rot-Schwarzen steckt wohl in jedem Glubberer …

Aber wie wir alle wissen, ist der Club immer für Überraschungen gut, seien sie nun positiv oder negativ. Diesmal eindeutig positiv. Das Stadion habe ich mit einem richtig guten Gefühl verlassen. Und voller Vorfreude auf das nächste Match. Die Mannschaft hat gekämpft, wollte siegen, ist gelaufen, hat kombiniert und sich viele Chancen herausgespielt. Luft nach oben ist freilich immer noch – aber lange nicht mehr so viel wie in der vergangenen Saison!