Der Comeback-Club
Das Pokalspiel gegen Hansa Rostock und Spieltag zehn gegen den FC Augsburg in einem Satz: Der 1. FC Nürnberg ist im Pokal eine Runde weiter und holt in der Fuggerstadt einen Punkt.
Hört sich ja ganz entspannt an, könnte ein Außenstehender auf den ersten Blick meinen: Überwintern im Pokal und als Aufsteiger ein Remis in Augsburg – das passt doch! Wie eigentlich immer bei und mit unserm Glubb liegen zwischen objektiver Betrachtung und der erlebten Gefühlswelt Universen. Ach was: Galaxien.
Da auch ich zu den Arbeitnehmern gehöre, für die eine Auswärtsfahrt unter der Woche ans andere Ende Deutschlands unmöglich ist, sahen wir uns die Partie gegen Rostock also im Wanner an. Schon seit dem Mittag waren die Meldungen über Ausschreitungen über den Ticker gelaufen – und mir rutschte das Herz immer mehr in die Hosentasche. Nicht nur, dass ich mir Sorgen um Stefan machte. Warum müssen ausgerechnet unsere – nun ja, ich schreibe jetzt nicht „Clubfans“, denn das sind keine Fans, und auch nicht „Ultras“, weil ich nicht weiß, ob das stimmt. Warum also müssen Personen im Namen eines Vereins derart gewalttätig, abstoßend, widerlich auftreten und damit den Ruf aller stinknormalen Anhänger und des Vereins mit in den Dreck ziehen? Und das, obwohl sie weit in der Minderzahl sind. Das will mir einfach nicht in den Kopf. Fußball ist die schönste Nebensache der Welt. Die Betonung liegt auf „schön“ und „Nebensache“. Das heißt für mich: Ich gehe gerne ins Stadion, weil ich Fußball mag, weil ich meinen Glubb liebe und unterstützen will und weil ich da andere, gleichgesinnte Leute treffe, mit denen ich friedlich und fröhlich (vielleicht auch mal schimpfend) Zeit verbringen mag. Wohlwissend, dass es auch noch richtig wichtige und lebenstragende Dinge im Leben gibt. Anhänger anderer Vereine respektiere ich, weil sie ihren Klub genauso lieben wie ich meinen. Wo also ist das Problem?
Zurück nach Rostock. Ich war mehr als erleichtert, als Stefan schrieb, dass es ihm gut gehe und er schon auf sich aufpasse. Angestachelt durch die Ereignisse im hohen Norden machte ich mich auch auf das Schlimmste gefasst, was das Spiel an sich anging. Erstrecht, als im Fernsehen die Live-Übertragung begann und wir einen Eindruck davon bekamen, wie die Stimmung im Ostseestadion war. Stefan schickte noch ein paar Videos: Alter Falter! Was für ein Hexenkessel! Umso größer war die Erleichterung nach dem quälend langen und nicht enden wollenden Fußball-Abend. Der Ausgang ist bekannt – aber ich hätte keinen Tropfen Blut mehr gegeben. Uff. Was für ein Kampf, was für ein Spiel, was für ein Comeback, was für ein Ergebnis! Es zählt nur: Wir überwintern im Pokal. Und weil uns der Norden ja anscheinend liegt, putzen wir dann eben im Februar den HSV weg.
Emotional nicht viel leichter haben es uns unsere Jungs in Augsburg nur drei Tage später gemacht. Diesmal war ich live dabei, denn schreiend, singend und hüpfend im Stadion finde ich alles trotzdem immer noch leichter zu ertragen, als untätig vor dem Bildschirm sitzen zu müssen.
Erneut feierten unsere Rot-Schwarzen zwei Mal ihr Comeback nach einem Rückstand und nach gut 90 Minuten stand es 2:2, bei dem es ohne Verlängerung und Elfmeterschießen auch blieb. Die erste Halbzeit ließ zunächst nichts Gutes erahnen – aber der Club kann ja auch anders, und zeigte sein zweites Gesicht (mal wieder) in den zweiten 45 Minuten. Welche Worte der Trainer da in der Pause findet, bleibt sicherlich sein (wohlverdientes) Geheimnis. Aber es ist mit jeder Faser zu spüren, dass die Jungs auf dem Platz für- und miteinander kämpfen, nie aufgeben, bis an ihre Grenzen gehen. Und wir als Fans haben mit der gleichen Intensität versucht, sie anzufeuern, zu pushen, nach vorne zu schreien. Gemeinsam sind wir EIN Team, EIN Verein, EIN Club. Dass die Tore ausgerechnet Fuchs und Mühl schossen, wo doch Michael Köllner aus Fuchsmühl kommt, ist hinlänglich durch die Medien gezogen worden, entbehrt aber trotzdem nicht eines gewissen Charmes. Mir wären auch Misidjan und Zrelak als Torschützen recht gewesen – aber meines Wissens gibt es keinen Ort, der Misidjanzrelak heißt…